Die Königin kommt

August/November 2020


Neubrandenburg ist eine seltsame Stadt. Eine intakte Stadtmauer mit mittelalterlichen Toren umgibt ein (zumindest für mich) unmotiviertes Durcheinander von Baustilen. Die Innenstadt wurde nahezu komplett im Krieg zerstört. Die ausbalancierte Ästhetik der Stadttore steht in krassem Gegensatz zu dem brutalen Geklotze der Geschäftsbauten in der Innenstadt. Mich hat die Pracht der Tore fasziniert und mir war sofort klar, dass daraus eine Collage entstehen musste. Und so baute ich noch in meiner Ferienwohnung in Waren an der Müritz einen prächtigen Turm aus verschiedenen Stadttoren. Ich stellte ihn in eine der wunderbaren namibischen Landschaftsportraits von Sonja Schubert. Rein ästhetisch passte das, aber die Komposition hatte kein Gleichgewicht. Also konstruierte ich auf der anderen Bildseite einen Gegenpol. Etwas Zarte, Leichtes, das mit dem Turm korrespondiert. Beides - Turm und Luftschiff - waren gelungen und doch war ich mit dem Bild nicht ganz glücklich. Das Gefühl, dass etwas nicht stimmt, war aber so subtil, dass ich es gut verdrängen konnte. Nach so viel Arbeit erklärte ich das Bild für fertig. Jetzt, drei Monate später, hatte ich die nötige Distanz, um mir einzugestehen, dass das Bild völlig überladen war. Nichts konnte seine Energie wirklich entfalten. Schweren Herzens nahm ich den ganzen Turm aus dem Bild. Und nun hat die Collage endlich die Ruhe und Poesie, die sie verdient. Die behutsame mittelalterliche Architektur lässt der kargen Landschaft ihre Größe. Mir scheint es hier um eine transzendente Reise zu gehen. Eine Held(innen)reise - ein großes Epos.  Wenn ich über meine Bilder nachdenke, dann ist das übrigens nicht verbindlicher als wenn das irgendjemand sonst tut. Ich stelle mir mit meinen Collagen selbst unlösbare Rätsel. Zu diesem Bild hätte ich allerdings Lust, eine Geschichte zu erzählen. Vielleicht mache ich das irgendwann.

 

Musik zum Bild: ich empfehle "Marco Uccellini - La Bergamasca"
von Cembaless.